Aus dem Keller an die Spitze – Update aus Fernost

Nach den ersten sieben Begegnungen der neuen Saison, die in China bereits im März startet, fand ich, es sei mal wieder an der Zeit für ein ausführlicheres Update. Seit Felix Magath die Mannschaft von Shandong Luneng als Trainer übernommen hat, ist Einiges passiert. Abgesehen davon, dass die spielerische Leistung der Mannschaft uns inzwischen einen Platz unter den Besten der Super League sichert, hat er neben seinen Trainingsmethoden auch europäische Standards in allen anderen Bereichen etabliert. Dies gilt nicht zuletzt auch für die medizinische Betreuung, mit der meine Kollegen und ich das Team tatkräftig unterstützen.

Ein gelungener Auftakt

Fünf Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage. Ein Auftakt, der sich nach den Startschwierigkeiten in der letzten Saison wirklich sehen lassen kann. Felix Magath wird nicht umsonst als „der Feuerwehrmann“ bezeichnet. In seiner Karriere als Trainer wurde er schon häufig zu Vereinen gerufen, die gegen den Abstieg kämpften. Ein Teil seiner Arbeit zu sein und den Fortschritt der Mannschaft zu verfolgen, ist ein unglaubliches Erlebnis. Natürlich habe ich hinter den Kulissen noch einen ganz anderen Einblick in die Arbeit und werde in viele Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Damit ihr auch eine Vorstellung von unserer Arbeit bekommt und nachvollziehen könnt, wie aus dem Klassenerhalt ein Platz an der Spitze der Tabelle geworden ist, hier ein paar Einblicke in unseren Alltag.

Nach zwei Wochen intensiver Trainingsvorbereitung in Spanien, Ende Februar, haben wir gemeinsam die Saison mit einem traditionellen, spirituellen Ritual begonnen: Wir bestiegen den Taishan Berg. Auf dessen Gipfel befindet sich ein Tempel, in dem Räucherstäbchen verbrannt werden, was Glück bringen soll. Glück alleine reicht natürlich nicht, um konsequent ganz oben mitzuspielen – schaden kann es allerdings auch nicht. In der Regel dauert es ungefähr zwei Stunden, den Gipfel zu erklimmen – die schnellsten im Team schafften den Aufstieg in gerade mal vierzig Minuten. Genau diese Stärke ist ein Baustein unseres Erfolgs. Mit der Steigerung der körperlichen Fitness und Kondition steigt aus meiner Erfahrung auch die Konzentration. Das bedeutet nicht nur, dass alle Spieler über 90 Minuten eine konsequente Leistung abrufen können, sondern dabei auch noch einen kühlen Kopf bewahren. Pässe kommen genauer an, die Spieler denken einen Schritt schneller, als sie laufen, und ausgefeilte taktische Züge werden möglich. Ansonsten wird auch im täglichen Training auf ein ausgeglichenes Maß von Hochleistung, Regeneration, medizinischer Betreuung und Teambuilding geachtet. Jeden Tag trifft sich die Mannschaft, bevor es auf den Platz geht, bereits zum Mittagsessen. Dabei habe ich die Chance, mir bereits einen ersten Eindruck vom Zustand der einzelnen Spieler zu machen. Im nächsten Schritt folgt dann die Vorbereitung auf das eigentliche Training. Alles von Akutversorgung über Taping bis hin zu Dehnen und Lockern fällt in meinen Aufgabenbereich. Dabei stehen wir in ständigem  Kontakt mit dem gesamten Trainerstab, der sich immer wieder Informationen und Empfehlungen bei uns abholt, um das Training so effizient wie möglich zu gestalten und zu steuern. Seit ich begonnen habe für Shandong Luneng zu arbeiten, konnte ich beobachten, dass es immer weniger Verletzungen oder akute Notfälle gibt. Der allgemein fittere Zustand der Mannschaft wirkt sich folglich nicht zuletzt auch auf ihre körperliche Belastbarkeit aus – denn bei einer angespannten und überlasteten Muskulatur steigt das Verletzungsrisiko erfahrungsgemäß an. Mit der engen Kommunikation zwischen allen Abteilungen und der Etablierung europäischer Standards in der medizinischen Versorgung sowie den Trainingsmethoden versuchen wir genau das richtige Maß aus Forderung und Regeneration zu finden, um die Spieler bestmöglich aufzustellen. Auch persönlich habe ich viel dazu gelernt: Sowohl bei der Behandlung der Spieler als auch bei der Beobachtung des allgemeinen Fortschritts sowie den Methoden und Ansätzen des Trainers. Darüber hinaus kann ich inzwischen auf chinesisch auch bis Zehn zählen – daran, dass ich das hervorhebe ist wohl ersichtlich, dass zählen auf chinesisch, zumindest für mich, eine beinahe ebenso große Herausforderung darstellt, wie eine Top-Mannschaft zu betreuen. Ich freue mich auf die nächsten Spiele und neue Erfahrungen und werde, sobald es mir meine Zeit erlaubt, wieder Bericht erstatten.